06.06.10

AMPHIBIE

Da sitzt ein mir unbekannter Autor lustiger Bücher (Klappentext?) auf einer Dachterrasse eines Berliner Nachtclubs unter einem grossen Sonnenschirm und liest mit schwacher Stimme, fast als ob er sich schämen würde, Texte aus einem seiner lustigen (Klappentext?) Bücher vor und hunderte Nachtclubschattengewächse, die meisten allerdings nüchtern, lauschen, zumindest die erste halbe Stunde, mehr oder weniger aufmerksam, eben dieser schwachen Stimme des lustigen Buchautors.
Ich trinke Wasser, ebenso Tino und seine Begleitung.
Eigentlich ein herrlicher Tag, denke ich, die Sonne brennt, Tino trägt dicke Schuhe aber Unterhemd, ich trage auch irgendwas.
Immer voller wird es jetzt, man schüttelt Hände, riecht die eine oder andere Alkoholfahne zart über das Dach wehen, jetzt unterhalten sich die Leute miteinander und lauschen dem lustigen Autor nicht mehr, es wird auch weniger Wasser bestellt jetzt, bemerke ich, auf dem Tresen sitzend. Mir ist langweilig, hier gibt es zu viele Menschen für einen zu heissen Sonntagnachmittag. Ich kann mich nicht konzentrieren vor Hitze und Menschen und fremder Leute Alkoholfahnen und angestrengt kreisen Reste meiner Gedanken um die Sonnenuntergangsstunden des gestrigen Abends...
Desaturierte Erlebniswelten. Männer mit zerrissenen Jeans und Vintageshirts. Hier immernoch: Truckercaps, Porschebrillen. Die Frauen tragen stolpernd High Heels und geschmacklose 2nd Hand – Kleider in mir nicht bekannten Farben. Hallo, hier Mitte. Der dünnstimmige, lustige Autor lustiger Bücher ist irgendwie weg und jetzt wummert House über die Dachterrasse, die ja eigentlich ein funky Rooftop ist und endlich kommt der Clubbesitzer, angetrunken und bestens gelaunt und spritzt mit einem Kärcher Hochdruckstrahler die müden, jetzt verärgerten Gäste nass und er lacht mich an und beugt sich zu mir hinüber und flüstert „Was haben wir denn schon zu verlieren, Ralf?“ und ich schliesse meine sonnenbebrillten Augen, der Himmel über mir verschwimmt, mir wird schwindelig.
Von Koma zu Wachkoma. Der Magnet in ihrem Körper sitzt da wo die Seele schläft und ich kann nicht anders, denn soviel sie bin ich und soviel ich ist sie.
Ich verabschiede mich kurz und will nur noch auf Meeresspiegelhöhe und fahre an das andere Ende dieser heißen Stadt und werfe meine Kleidung ab, nehme Anlauf und springe in einen sehr kalten See und das sehr kalte Wasser presst meine Brust zusammen und tief hole ich Luft und tauche unter, öffne meine Augen und sehe nichts doch fühle alles.

1 Kommentar:

  1. it's temporary this place
    i am in a permanently won't do this again
    my belongings scattered all across

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