24.02.10

DER MANN, DER NICHTS KONNTE

Langsam, fast wie unter Schmerzen, drückte er seinen Körper hoch, griff das große Bild mit beiden Händen und durchquerte das Zimmer. Kein Platz mehr, dachte er. Kein Platz mehr an den Wänden. Zuviele Bilder, zuviele Bilder, ja ja.
Behutsam stellte er den bespannten, bemalten und beklebten Rahmen ab, streckte sich und nahm vorsichtig ein altes Bild von der vergilbten Wand, auf dem mit zitteriger Schrift Pirat stand, in schwarzer Ölfarbe, belanglos für die meisten, dachte er, als er es auf den Boden stellte, angelehnt an die alte Tür, die diesen Raum vom nächsten trennte. Dann nahm er das andere, das neue Bild und hing es an die beiden Nägel, die er vor Jahren in die mürbe Mauer gedrückt hatte, mit seinem Daumen, denn weich wie Butter waren diese Gemäuer und überall bröselte Putz und Stein aus den Löchern, die er schon dutzendfach in die Mauern gebohrt hatte, damals und gestern. Kein Platz mehr an den Wänden.
Er schritt zurück und kniff ein Auge zu, sicher, auf diese Art das Bild in die Waage bringen zu können, denn schief hing es da und er stupste es links und rechts und wieder links mit dem Daumen an, bis es, jedenfalls für sein Auge, einigermaßen gerade an der Wand klebte.
Auf dem Bild sah man nur ein paar bunte Buchstaben, aufgeklebt und übergeklebt, so als ob er ganz sicher gehen wollte, dass sie dort für immer haften bleiben. Naive Kunst, dachte er, oder Kinderkunst, oder beides, ja ja. Jetzt wieder: Kein Platz mehr an den Wänden.
Dann ging er zurück zu seinem Stuhl und seinem Tisch, auf dem eine kleine, weiße Leinwand lag, atmete aus und schloss seine Augen.

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