26. Dezember
Um 5:39 Uhr setzt sich der D-Zug, langsam und polternd, in Bewegung.
Ich sitze mit einer viel zu großen Tasche in einem viel zu verrauchten Abteil mit abgewetzten, viel zu grünen Sitzen, aber immerhin alleine. Außer mir sind, so schätze ich, nur noch zehn weitere in dem gesamten Zug.
Wenn ich nach draußen sehe, sehe ich nichts außer schwarzem Morgen, nichts kann ich erkennen, so sehr sich meine Augen auch anstrengen, kein Licht, keine Straße, keine Häuser, nicht einmal dunkle Landschaften sehe ich.
In Prag angekommen, treffe ich sie in der Eingangshalle des Bahnhofs, ein wenig krank sieht sie aus, aber schön. Schön krank. Sie trägt eine Wollmütze, Jeans, Turnschuhe, ich eine Lederjacke, Jeans, Turnschuhe, keine Mütze.
Es ist kalt in Prag, es schneit, aber nicht viel, ein bisschen Schnee bleibt liegen, aber das meiste verweht irgendwo in der Luft und macht diese fast undurchsichtig und gespenstisch. Sie lächelt mich an, sagt, das sie wirklich krank sei und ich nicke nur, benommen von ihr und der Kälte und ich versuche irgendwie zurückzulächeln, weiß nicht so recht ob es mir gelingt und versuche nur jede Sekunde in Gedanken aufzuschreiben, jede Sekunde mit ihr irgendwie zu behalten, jeden Blick, jede Berührung, die zufällig passiert, denn wir gehen nicht Arm in Arm, der Begrüßungskuss war flüchtig auf die Wange und Prag wird immer kälter an diesem Morgen und die Sicht beträgt nicht mehr als 50 Meter, vielleicht.
Ich sage ihr, dass ich jetzt keine Stadttour will, weil ich Prag kenne, was sie sichtlich erleichtert und so gehen wir in irgendein Cafe und trinken Espresso und reden über irgendetwas unwichtiges und noch immer berühren wir uns nicht sondern sitzen einfach nur da und reden irgendetwas über irgendwen und dann über Prag und über Berlin und über Weihnachten. Ich frage sie, ob die Geschäfte denn alle zu hätten heute. Sie sagt, das wisse sie nicht.
Ich trinke meinen Espresso. Sie trinkt ihren Espresso.
Soviel zu Prag.
(Aus: "Wann ist Schluss?")
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