31.10.09

RATLOSIGKEITEN

Alle Wege führen
zum in die Falle gemarkmedlockten
Talkshowdownsyndrom
Wo ist mein Fetenhitseschild?
Auf der Sucht.
Oppenheimer, wir brauchen dich!
Das finden 81%
der Glamour-Leserinnen
leider nicht.

30.10.09

ICONS

DIE LETZTE GROSSE SCHLACHT

Die letzte große Schlacht schlug er. Die letzte große Schlacht, nicht groß genug für die Geschichtsbücher, doch groß genug für ihn. Eigentlich schlug er die letzte zu große Schlacht, dachte er.
Er kannte sich aus mit Taktiken. Waffen. Zu großen Schlachten. Mit Verwundungen. Mit Verletzungen. Mit Tödlichkeiten.
Die letzte große Schlacht schlug er. Er war in der Überzahl, er war sich sicher. Er war immer in der Überzahl gewesen, schon damals. Aber seine Reihen waren niedergekämpft, dezimiert und verängstigt.
Die letzte große Schlacht schlug er und diesmal mußte er gewinnen. Er mußte dieses Mal mehr gewinnen als all die Male zuvor.
Seine Stellungsfehler waren bekannt, aber nicht ausgemerzt. Die Schwachpunkte waren gekennzeichnet, aber nicht ausradiert. Er wußte, dass er nicht sterben würde, falls er verliert, aber er würde seine Waffen strecken, aufhören, weggehen, auswandern, resignieren, den Geist des Kampfes abwaschen.
Die letzte große Schlacht schlug er und der letzte Kampf war lohnend.
Mit zittriger Klinge redete er, siegesunsicher. Doch er brauchte ihn, den Sieg. Nur dieses eine Mal.

28.10.09

KÄMPFE DER WOCHE

schlaf gegen wachen
vor gegen zurück
weinen gegen lachen
freiheit gegen glück
träumen gegen denken
sorgen gegen sorgen
nehmen gegen schenken
heute gegen morgen

24.10.09

INSOMNIA

wenn nachts die frauen
auf dsf die menscheit kaum versauen
und du wachst um vier uhr nachts,
um den schlaf gebracht,
mit kalten klauen im knarzenden gestell,
von draussen s-bahn und gebell
von anderen hunden dieser stadt:
mann, wie hast du nächte satt.
der schlaf war dünn und kaum,
nicht die allerkleinste spur.
fünf stunden ohne traum.
dann, doch endlich:
sonnenaufgangsflaum

17.10.09

REVIER

Mittlerweile bin ich doch so leergedacht, dass ich keine Hoffnung mehr habe, als die auf einen trunkenen Abend, mit wahllos wem auch immer aus wahllos welchem Grund. Hübsch und gackernd wackelnd zur Toilette und Gästeköpfe, wie an Fäden an deinen Hüften angeknüpft, drehen sich in deine Achse, die wie durch Zufall durch jeden Gang hindurchstösst. Welch kleines Land. Falbe Heftigkeiten, oder brünette, meist jedoch schwarze, das andere immergleich. Wer ist nicht alles da gewesen, mit Fäden an den Hüften. Es war sehr schön und es ist schön dass es war. Dann Terror, Rückfall, Besuch, Drogen, Alkohol, Gewalt, Fesseln, Armut, Hass und Hunger.

15.10.09

KÄLTE

Und dann geht's los.
Frühstücksfernsehen
Sybille Weischenberg,
das blonde, dumme, alte Stück.
Auch der Rest hilft beim Aufstehen:
Instantkaffee, der wie alter Tee schmeckt.

Raus, der erste Schnee
Der Wind fegt Flocken durch die Strasse,
groß wie Kürbisse.
Die Garagen sind platt, keine Noteinkäufe mehr
um vier Uhr morgens
Kein billiger Wein und Zigaretten

Sie bauen dort nun ein Hotel
hat man mir gesagt
Mit Lochfassade
das sei so sicher
wie sie R'nB in Sonnenstudios spielen
Kragen hoch, weiter geht's
nicht mehr

12.10.09

TO WHOM IT MAY CONCERN



LICHTHITLER


Atemberaubend, denke ich, als ich auf das schiefe Campingdach des Sony-Centers blicke, das abwechselnd beleuchtet wird, in rot und blau, wohl ein verzweifelter Versuch, die Architektur doch noch interessant zu machen, doch wie soll man das schaffen, durch bunte Lampen sicherlich nicht, denke ich. Eine gefährliche neue Welle ist dies, und das Discosony-Center war nur trauriger Vorreiter, denn immer mehr Neubauten bestechen durch geschmackloses Leuchtfarbenspiel an oder in Fassaden, als letztes Mittel, den Blick der Passanten doch noch in die richtige Richtung zu lenken, doch wird hier lediglich die Kotzrichtung präzisiert.
In Berlin gibt es immer einen Ort, der noch hässlicher ist, als der, an dem man zuvor war und das macht Berlin so besonders, einzigartig. Damit sollten die Tourismus–Experten werben. Stattdessen lese ich Schlagzeilen über die unerträglichen Weihnachtsmärkte: BERLIN HELLER ALS NEW YORK! Ich kann mir die New Yorker vorstellen, wie sie zitternd in Ihren Häusern sitzen und Angst bekommen, Angst vor Lichthitler und mit der Nationalhymne auf den Lippen jedes verdammte Licht in ihren Appartements anzünden, um den Deutschen die Stirn zu bieten.

MONTAG

Wieder nur Unerträglichkeiten, Schwiegertöchter, Tatorte, warum nicht einfach Bomben werfen.
Nachtprogrammhorror.
Ausmerzen, bereinigen, neumachen, austauschen. Raab vierteilen.
Neustart.

Wir haben doch Sehnsüchte.

10.10.09

BILDET KEINE ROTTEN!

krönungen der schöpfung, ihr
sonnengötter des irdischen schattenreiches
ihr bringt weisheit und bizeps, humor und brüste
rottet euch zusammen für bilder
warum rottet ihr euch zusammen
eure schönheit ist so vulgär

08.10.09

KEIN AUSGANG








Der Mann sah alt aus, als er den kalkweißen Raum betrat. Nichts ausser einem dünnen Stuhl und einem Tisch, auf dem ein altes Mikrofon stand, war hier zu sehen. Von dem Mikrofon führte ein fingerdickes Kabel in ein provisorisches Loch in der Wand hinter ihm.
Ich war schon einmal hier, dachte er.



"So. Klar, ich weiß Bescheid. Hallo? Hören sie mich? Nun gut. Also, passen sie auf.
Ich hatte das Gefühl, das es reine Reiselust gewesen war, die sie nach Berlin gelacht hatte. Ich zeigte ihr ein Museum, da muß man nicht viel reden, hatte ich mir gedacht.
Ich ging auf Nummer Sicher, das hat noch niemandem wehgetan. Abends ging man essen, natürlich in ein Restaurant, das sie kannte und mochte. Ich hielt es also mit Konrad Adenauer: Keine Experimente. Das hat er doch immer gesagt, damals, oder? Nicht das ich mich da auskenne, aber das ist irgendwie hängengeblieben bei mir.
Trotzdem verschwand sie ein paar Stunden später wieder. Warum sollte ihre Reise auch gerade in Berlin zu Ende gehen, wissen sie? Ich bitte sie, Berlin! Nein, Berlin ist keine Reise wert. Ist nichts. Das ist ihr wohl auch bewußt geworden, nachher.

Mögen mochte sie vieles. Eine Bar. Vielleicht kennen sie die sogar. Kennen sie Clubs in der Stadt? Ich meine jetzt so, naja, Diskotheken nannte man die früher.

Doch dann hatte ich das Gefühl, das es nur ein Film war, der sie nach Berlin gespielt hatte. Inszeniertes Umherirren, ein fremder Mann, eine fremde Stadt. Aber Berlin ist keine Reise wert. Ist nicht Tokio. Ist nichts. Die immergleiche Bar, zuviel Zigaretten. Kein Tabledance, kein Karaoke. Nur Berlin. Hatte sie das am Ende etwa überrascht? Man sagt: Am schnellsten verliert man etwas, wenn man es zu sehr möchte. Aber ich hatte nur einen Tag. Ich hatte einfach keine Zeit. Berlin ist keine Reise wert. Ist nichts."



Ihm war kalt, schon wieder.
Die Farbe der Löwen ist die Farbe Afrikas ritzte er mit seinen Nägeln in das weiche Holz des Tisches.



"Und dann hatte ich das Gefühl, das meine Stimme sie nach Berlin geflüstert hatte. Hören sie? Und ein paar zusammengeglaubte Zeilen Vorstadtpoesie.
Doch schnell: Warnschüsse. Angst vor Erwartungen, die den Horizont von Molkereiprodukten überschritten. Komm sofort her hatte sie mir mal geschrieben. Aber es ging dann irgendwie in die falsche Richtung. Sicher kam sie mit großer Erwartung in diese Stadt. Aber ich habe sie nicht erfüllen können. Ich bin einfach.
In einem runden Raum saßen wir, um uns herum überlebensgroße Bilder von Marlene Dietrich. Die hatte damals einen Koffer in Berlin, wissen sie? Doch Berlin ist keine Reise wert. Ist nichts."



Er stand auf, rückte den Stuhl unter den Tisch und strich seine Jacke glatt. Als er sich umdrehte und zur Tür gehen wollte, stolperte er fast über das fingerdicke Kabel, das vom Mikrofon zur Wand führte. Er hielt inne, bückte sich, hockte dann und folgte kriechend dem schwarzen Gummi, bis er fast mit dem Kopf an die Wand stiess. Das Loch war viel zu groß und hätte locker zehn Kabeln eine Öffnung bieten können. Tiefer bückte er sich nun und schaute hindurch. Das Kabel führte auf der anderen Wandseite auf einen Tisch zu und endete in einem darauf befindlichen Mikrofon. Der Stuhl jedoch war leer. Dann hörte er eine Tür ins Schloss fallen.

ENDLICH!!


















© by RW

06.10.09

SELBSTVERSUCHTES NICHTVERMISSEN

Ich war bereit für einen langen Atem, hab trainiert wie die Athleten und hab aus überaus privatem Grund den Ballast über Bord getreten. So war ich nackt und endlich rein, bereit Geduld zu üben. Im Detail und allgemein in endlich echten Schüben. Ich gebe zu, das ist nicht neu, hab mir schon mal die Zähne ausgebissen.
Doch ich weiß, ich würd's bereuen: selbstversuchtes Nichtvermissen. Man weiß: die Quadratur des Kreises und Träumerei mit rosa Brille. Drum sag mir schnell was extra Leises und überwinde Deine Stille. Ich konnt halt nur versuchen mich nicht elends zu verbiegen! Bauchgefühltes nicht verfluchen. Auch Vernunft darf niemals siegen. Wie auch immer, blah blah blah, die Geschwindigkeit ist der Trick. Das Klischee halbgar für eine Diebin auf den ersten Blick.

HILTONLEITER

Die English Bar ist voll von jungen Damen!
Die aufdringlich den Mann umgarnen!
Umkrallt die Hand das Schampusglas!
Und nicken kurz: „Ich glaub das war's!"

STELLUNGSKRIEGE IM SITZEN

Protokoll 2
Zumindest die Vergangenheit scheint bewältigt,
was ja irgendwie auch ein Ergebnis ist, zumindest auf dem Papier.
Ansonsten: viel Schweigen und viel Erklärtes.
Alles schon mal dagewesen, nur nicht so neu.
Bedacht bis in Details.
Dieser Berg nimmt kein Ende.
"Es wird auch viel hineininterpretiert, wissen sie?"
Widersprüchlichkeiten.
"Es sind dann doch zwei Welten, wissen sie?"
Zigarettenrauch in dunklen Kinos.

(November 2007)

05.10.09

EXSILIUM

Der neue Wind, er fegt
beiges Leder, Laugenbrezel
Ich mag, was sich bewegt
Doch bin mir selbst das größte Rätsel.

02.10.09

KITSCH 101

Das Brennen der Gerüche, die Danakil, die Pfade, die Zelte, die Erde, die Küche, die Städte, die Dörfer, das Nichts, die Enge, die Weite, die Luft, die Wasser, die Erde, das Bellen der Zebras,
das Xhosa, die Stimmen, die Schreie, das Schluchzen, das große Lachen, die Sehnsucht, das Machen, die Wurzeln, das Eine, den Ursprung, das ich, das wir, das alles nur hier.

ESTABLISHING SHOTS

Eröffnungssequenz

Nacht / Aussen / Tunnel / Totale

In einer Unterführung nahe Unterföhring, zittert ein geführter Spaniel aus Mitteleuropa Hand in Hand mit einer katzenallergischen leopardenfelljackenbezweifelnden Nachtarbeiterin.

Tag / Innen / Büro / Overshoulder
Auf der anderen Seite der Welt lauscht ein ebenso katzenallergischer Mensch anderen Geschlechts dem Gejaule von singenden Aalen, vorgetragen durch eben diesen mitteleuropäischen Hund, der nichts von Chanel trägt außer Ihrem Vornamen.

Tag / Innen / Auto / POV Fahrerin
In einem sich auf tschechischen Verkehrswegen befindlichem bayrischen Automobil lauscht später wiederum die katzenallergische Nachtarbeiterin der von dem auf der anderen Seite der Welt wohnenden Katzenallergiker zusammengestellten Tonspur.

Nacht / Innen / Bett / Halbnah
In einem Ostblockhotelzimmer ohne nennenswerte Aussicht trinkt sie ein Bier.

Kamera zieht auf, Haus, Häuser, Strassen, Viertel, die Stadt, das Land.

Abblende

Hier erst beginnt der Film.