24.02.09

SPÄTER

„Glaubst Du nicht, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert?“
Ich schrecke aus meinem Bett hoch und sehe Max vor mir stehen, mit einer Sonnenbrille auf der Nase und einem Polo, hochgestellter Kragen, eine Zigarette glüht schwach in seiner linken Hand.
„Ich habe Dir meinen Schlüssel nicht gegeben, damit Du mich hier zu Tode erschreckst. Blumen gießen, Todesfall, so was. Aber nicht zum Wecken,“ gähne ich ihn an.
Ich setze mich auf die Bettkante.
„Ja, schon gut. Ich dachte mir, ich schau mal vorbei. Deine Nachricht klang ja unerhört depressiv gestern.“
Ich erinnere mich plötzlich, dass ich ihm gestern Abend einen Monolog auf seine Mailbox getextet habe.
„Mann, schon ok. Ich war nur…irgendwie platt.“
„Platt, aha.“
Pause.
Ich stemme mich hoch und fass meinen Kopf, der irgendwie brummt, greife nach einem Stuhl, der an der Wand steht und finde ein weißes Shirt, dass ich mir überstreife.
„Los, lass uns laufen gehen.“
„Hör zu, das letzte, worauf ich jetzt Lust habe, ist Sport.“
Max schnippt seine Zigarette über meinen Kopf hinweg durch das offene Fenster, unter dem mein Bett steht.
Ich stehe auf und schlurfe an ihm vorbei Richtung Küche.
Voilà, der Gegenentwurf zu Nivea, denke ich.
Ich mache uns einen miserablen Kaffee und durchwühle meinen Kühlschrank vergeblich nach irgendetwas Essbarem. Ich trete die Tür mit dem Fuß wieder zu und drücke Max eine Tasse in die Hand, der jetzt im Wohnzimmer sitzt, auf meiner schwarzen Kunstledercouch.
„Wann kaufst Du Dir endlich mal neue Möbel, Mann?“ sagt er in den Raum und sein Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse, als er am Kaffee nippt.
„Wie war Barcelona?“
„Ok“, hauche ich in meine Tasse mit dem miserablen Kaffee.
„Aha. Also, Du kommst nicht mit Laufen?“
Ich kontrolliere mein Handy, keine neuen Nachrichten. Verdammt.
„Max, bitte.“
„Warum diese ganze Story gestern? Wer zum Teufel soll Dich verfolgen? Was war das für ein Quatsch?“
„Keiner verfolgt mich.“
„Du hast mir gestern auf die Box geheult, dass Du seit Monaten verfolgt wirst, dass Du untertauchen musst, bei Deiner Mutter.“
„Meine Mutter ist tot.“
„Das weiß ich auch.“
„Hör zu, vielleicht war ich ein bisschen dicht gestern, mich verfolgt kein Mensch.“ Ich denke an den Mann im Anzug.
Ich schaue mit einem Auge auf das Display meines Handys.
„Ist ja rührend, wie Du Dir Sorgen machst.“
„Mann, ich liebe Dich, weißt Du doch!“
Ich lache.
Ich drehe mein Handy in meiner Hand unaufhörlich hin und her und schaue immer wieder auf das Display. Max stellt seine Tasse auf den Boden vor dem schwarzen Kunstledersofa und zündet sich eine Zigarette an.
„Sag mal, gibt’s Deinen Dealer noch?“
„Negativ,“ sag ich Richtung Boden.
„Hm. Na gut.“ Er steht auf und drückt seine Zigarette, von der er nur einmal gezogen hat, in einen der Flugzeugaschenbecher, die auf dem Couchtisch stehen.
„Dann laufen wir halt ein anderes Mal.“
„Ich laufe seit einem Jahr nicht mehr.“
„Ach ja? Was geht am Wochenende? Wollte vielleicht was kochen. Kleine Pasta oder so“
„Ich ruf Dich an.“
Er zuckt mit den Schultern und stellt seinen Polokragen wieder aufrecht, der zwischenzeitlich bedrohlich umgeklappt war.


(aus: "Wann ist Schluss?")

1 Kommentar:

  1. GENIAL POP-ART!!!
    Mensch ist Mensch..auch mit einem Display als Gesicht...
    In.luft

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